Ich spreche hier viel davon, dass ich nachhaltiges Design anbiete. Dabei nutze ich den Begriff ganz selbstverständlich. Doch was genau ist nachhaltiges Design eigentlich und wie zeigt es sich in der Praxis?

Ein Überblick

Ebenso wie der allgemeine Begriff Design erstreckt sich der Begriff nachhaltiges Design auf verschiedenste Bereiche. Sei es Industriedesign, Produktdesign, Mode oder – wie bei mir – Grafikdesign. Man kann sogar soweit gehen und sagen, alles was erschaffen oder neu geordnet wird, ist Design und damit sind wir alle Designer. Jeden Tag.

Als allgemeine Definition kann man nachhaltiges Design als ausgewogene Verwendung natürlicher, sozial und ökonomisch verträglicher Ressourcen mit der Zielsetzung, das Wohlergehen unseres Planeten und zukünftiger Generationen zu erhalten, beschreiben.

Dabei setzt es sich von Begriffen wie „Grünes Design“ oder „Eco-Design“ ab. Diese bezeichnen ökologisch verantwortungsvolle Herstellungsprozesse und Konzepte und legen so einen Fokus auf umweltbewusstes Design. Nachhaltiges Design geht einen Schritt weiter und bezieht ebenso soziale und ökonomische Implikationen mit ein.

Im nachhaltigen Grafikdesign ist vor allem der Bereich der Druck-Erzeugnisse interessant, weil dieser den größten Materialverbrauch aufweist.

Wie alles begann – Design als politische Handlung

Als Vorreiter des nachhaltigen Designs gelten Richard Buckminster Fuller (1895-1983) und Victor Papanek (1923-1998). Sie ermutigten früh Designer, sich kritisch mit ihrer Rolle auseinander zu setzen.

Richard Buckminster Fuller war Erfinder, Autor, Wissenschaftler und Umweltaktivist. Er glaubte daran, dass man mit weniger mehr nachhaltigen Nutzen schaffen könne. Darüber hinaus war er Kritiker einer aus seiner Sicht wenig sinnvollen Nutzung neuer technologischer Errungenschaften und Verfechter einer weltweit gerechten Verteilung von Wohlstand.

„Unser Planet Erde ist die Heimat der Menschheit, aber, rein wissenschaftlich betrachtet, ist er nur Teil des Universums. Er gehört allen Menschen zu gleichen Teilen. Dies ist ein Naturgesetz auf der Grundlage der Geometrie, und jedes von Menschenhand geschriebene Gesetz, das sich dieser natürlichen Ordnung entgegenstellt, ist nicht umsetzbar.“ – Richard Buckminster Fuller

 

Portrait Viktor Papanek © Melanie Hauke

Victor Papanek © Melanie Hauke

 

Victor Papanek war Industriedesigner und Architekt. Er rief Designer aus allen Bereichen zu einem verantwortungsvollen und umweltbewussten Handeln auf. In seinem Buch „Design for the Real World“ (1972) wirbt er für eine stärkere Konzentration auf die Bedürfnisse des Endverbrauchers. Papanek forderte zudem das Allgemeinwohl über den finanziellen Gewinn zu stellen.

Dabei sieht er Designer*innen nicht nur als visuelle Gestalter, sondern als jemanden, der oder die verantwortungsbewusst eine komplexe Problemstellung zu lösen hat. So verlangt er in seinem zweiten Buch „The Green Imperative“ (1995) von Designer*innen „weitsichtig die ökologischen, ökonomischen und politischen Folgen eines Designs zu antizipieren.“ Er geht sogar so weit, zu fordern, dass Designer*innen strafbar gemacht werden sollen, wenn sie nicht nachhaltig handeln und arbeiten.

Damals standen beide Vordenker unter großer Kritik. Heute sind ihre Gedanken dringender und aktueller denn je.

Nachhaltiges Design in der Praxis

Doch was bedeutet die Theorie nun im Alltag und in der Umsetzung? Eric Benson, Dozent, Grafikdesigner und Mit-Gründer von der non-profit Organisation re-nourish.com, die sich für nachhaltiges Design einsetzt, hat dafür eine kleine Liste an Kriterien für nachhaltiges Grafikdesign zusammengestellt.

Am Anfang eines Projekts sollte man sich demnach folgende Fragen stellen:

  • Ist es wirklich nötig, aus dem Produkt ein Printprodukt zu machen?
  • Welche Auswirkungen hat der Druck auf die Umwelt?
  • Wie kann man die Auswirkungen so gering wie möglich halten?

Wenn man dann am Punkt der Entscheidungen und Umsetzung angelangt ist, sollten diese nach folgenden Kriterien gefällt werden:

  • Respektiere und fördere das Allgemeinwohl
  • Verbessere Lebensqualität
  • Setze dich für den Erhalt der Artenvielfalt unseres Planeten ein
  • Minimiere den Einsatz nicht erneuerbarer Rohstoffe
  • Passe deine persönliche Handlungsweise an die Belastbarkeit unseres Planeten an

In der Praxis heißt das:

  • langlebiges und recycelbares Design
  • zyklisches Design
  • recycelte und schadstofffreie Materialien
  • Minimierung der Abfallmenge
  • Reduktion des Verbrauchs von Druckfarbe
  • Zusammenarbeit mit lokalen Betrieben, die selbst nach Nachhaltigkeitsstandards arbeiten und soziale Arbeitsstrukturen aufweisen
  • Wissen an Endverbraucher weiter geben
  • andere zu nachhaltigem Design aufrufen

Es ist nicht immer möglich alle Kriterien zu erfüllen. Aber bei jedem Printprodukt weise ich beispielsweise meine Kund*innen darauf hin, dass es die Möglichkeiten eines nachhaltigen Drucks gibt. Eine andere Variante ist, den Druck in einem sozialen bzw. integrativen Betrieb fertigen zu lassen. Ökostrom, kurze Transportwege und lokale Kooperationspartner sind andere Möglichkeiten, umweltschonend zu arbeiten.

Abgucken von der Natur erwünscht

Im weiten Feld des Designs kann man aber noch ganz andere Lösungen umsetzen. Ein Bespiel ist der Bereich der Bionik. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern Biologie und Technik zusammen. Nach der Bionik schafft man mit der Natur als Vorbild Design, das menschliche Probleme löst. Lösungen und Anwendungen finden sich bereits in der Verpackungstechnik, im Transportwesen und bei der Energieerzeugung.

So arbeitet man beispielsweise mit der Erkenntnis, dass die Natur ihre Energie aus der Sonne bezieht und diese auch nur soviel nutzt, wie benötigt wird. Ein anderes wichtiges Prinzip ist, dass Formen der Funktion angepasst werden. Die Übernahme dieses Phänomens fand bereits als Leitsatz „Form follows Function“ ins Design Einzug. Auch dass die Natur Kooperation belohnt und Artenvielfalt fördert, findet immer mehr Beachtung. Darüber hinaus fordert sie regionalen Sachverstand und grenzt Exzesse von sich aus ein. Die Natur – im Gegensatz zum Menschen – kennt ihre Grenzen.

Die Bionik zählt als Teil des „Ökokapitalismus“, der nach Paul Hawken, Amory Lovings und Hunter Lovings („Natural Capitalism“ 1999) vier Prinzipien aufweist: Größeres Augenmerk auf die produktivere Nutzung von Ressourcen, Bionik, Dienstleistungs- und Produktabläufe sowie Investitionen in natürliches Kapital.

Auch die Denkart von Cradle to Cradle lässt sich daran anschließen. Demnach muss ein Gegenstand nach seiner Nutzung in der Lage sein, zur Herstellung eines neuen Produkts beizutragen. Die Forderung stützt sich auf die Beobachtung, dass sich in der Natur Abfallprodukte und Nahrungsangebot die Waage halten. Denker der Cradle to Cradle Schule fordern darüber hinaus eine neue Definition von Recycling. Da momentan eingesetzte Rohstoffe bei jeder Wiederverwendung nicht wirklich recycelt werden würden, sondern nur eine geringere Qualität erreichten und am Ende als Restmüll entsorgt werden müssen. Und das schaffe Probleme. Deshalb sollten von Anfang an Produkte hergestellt werden, die nach ihrer Nutzung vollständig in den Herstellungsprozess wieder eingebunden werden können. Mehr zum Cradle to Cradle Druckverfahren findet ihr hier.

Das alles muss keine Zukunftsmusik sein und ist es auch nicht mehr. Immer mehr Designer*innen verschreiben sich einem verantwortungsvollen Umgang mit Umwelt, Ressourcen und Mensch. Doch solange unser System auf Konsum und gesteigertes Wachstum ausgelegt ist, wird es schwer, allein durch nachhaltiges Design etwas zu verändern. Versuchen sollten wir es trotzdem alle.